Die Tricks der Inflationsberechnung

Die Inflation ist spätestens seit der andauernden Pandemie auch in der breiten Bevölkerung in aller Munde. Für Investoren ist sie allerdings seit jeher eine entscheidende Kennzahl. Unter „Inflation“ versteht man den allgemeinen Anstieg des Preisniveaus einer Volkswirtschaft über einen bestimmten Zeitraum. Steigt das allgemeine Preisniveau, sinkt die Kaufkraft des Geldes. Sie wird an einem statistischen Warenkorb – einem sogenannten Preisindex – gemessen. Dieser setzt sich aus den Gütern des alltäglichen Lebens zusammen und soll den gewichteten Durchschnittsverbrauch eines Deutschen wiederspiegeln. Milch wird dabei stärker gewichtet als Schnittrosen, da der Verbrauch wesentlich größer ist. Über einen gewissen Zeitraum werden die Preise beobachtet, ins Verhältnis zueinander gesetzt und ergeben somit eine Teuerung oder Vergünstigung.

Dabei ist eine gewisse Inflation von der Europäischen Zentralbank sogar gewünscht. Eine lange Zeit lag das Inflationsziel bei knapp unter 2 Prozent. Der Grund: Verbraucher wie Unternehmen sollten ermuntert werden, Anschaffungen und Investitionen zu tätigen – und sie nicht auf die lange Bank zu schieben, in der Hoffnung, es könnte bald preisgünstiger werden. Jedoch könne gleichzeitig eine Inflationsrate über der Zwei-Prozent-Marke einer Volkswirtschaft eher schaden als nutzen.

Doch wie kann die Inflationsrate so niedrig sein, wenn doch viele Produkte verschiedenster Bereiche in den letzten Jahren stark im Preis gestiegen sind? Es lohnt sich, einmal genauer auf die Berechnungsmethode zu schauen, um zu verstehen, mithilfe welcher Prinzipien der Warenkorb gebildet wird. 

Hedonische Qualitätsanpassung 

Wer sich mit der Zusammensetzung dieser Rate beschäftigt, wird feststellen müssen: Das Statistische Bundesamt versucht mit allen Mitteln und Tricks, die offizielle Rate in einem überschaubaren Rahmen zu halten. An dieser Stelle sei da das Konzept der „hedonischen Qualitätsanpassungen“ genannt. Dieses bedeutet so viel wie den Ausgleich des Nutzenzuwachses und wird seit den 1980er Jahren genutzt. Konkret heißt es, dass bei der Berechnung des statistischen Warenkorbes die Preisgestaltung von Waren und Dienstleistungen durch einen Nutzenzuwachs geglättet wird – zum Beispiel wenn eine Qualitätsverbesserung bei einem Produkt oder einer Dienstleistung gesehen wird. Was abstrakt klingt, kann an einem einfachen Beispiel aus der Vergangenheit festgemacht werden.

Schulbücher haben beispielsweise vor 30 Jahren noch 15 Euro gekostet. Heute zahlt man dafür vielleicht 20 Euro, es werden aber nur 15 Euro im Warenkorb gewichtet. Dies liegt daran, dass ein Preisfaktor im hedonischen Qualitätsmodell darin bestand, die Bilder in Schwarz-Weiß bzw. in Farbe zu kategorisieren. Mit den Farbbildern geht also laut dem Modell eine Qualitätsverbesserung und somit auch ein Nutzenzuwachs einher, der Einfluss auf die Preisabbildung haben muss. Dabei geht es für die meisten Schüler jedoch nicht darum, ob die Bilder in Farbe dargestellt werden. Sie interessiert es vielmehr, wie hoch die Gesamtausgaben für Lehrmaterial sind. 

Ein weiteres Beispiel ist das Handy. Als das erste iPhone 2007 auf den Markt kam, musste man dafür circa 400 Euro bezahlen. Heute kostet das aktuelle Smartphone durchaus auch 800 Euro und mehr, also mindestens doppelt so viel. Dass das iPhone eine bessere Qualität besitzt (was das Statistische Bundesamt bei seinen Berechnungen inflationsmildernd berücksichtigt) nützt dem Verbraucher nichts. Er muss trotzdem mehr bezahlen.

Darüber hinaus finden einige potenzielle Inflationstreiber in dem Preisindex keine Berücksichtigung. Dazu gehören zum Beispiel die Immobilien, die in den letzten Jahren mit teilweise über 100 Prozent in einigen Städten einen extremen Preisanstieg verzeichneten und somit auch Auswirkungen auf die Inflationsrate gehabt hätten. Das statistische Bundesamt hält die Einbeziehung von Immobilien jedoch für zu kompliziert, da die Kaufpreise landesweit zu verschieden seien.

Alternative Berechnungsmethoden 

Neben der vom statistischen Bundesamt verwendeten Methode, gibt es allerdings noch weitere Ansätze, die Inflation zu berechnen. Es kann beispielsweise das Wirtschaftswachstum von dem Wachstum der Geldmenge abgezogen werden. Eigentlich sollte das Geldmengenwachstum durch die Wirtschaftsleistung gedeckt sein. In den letzten Jahren haben sich diese jedoch voneinander abgekoppelt. Während die Geldmenge in den letzten Jahren stark zugenommen hat, ist die Wirtschaftsleistung nur gering gestiegen. Es ist also mehr Geld pro Einheit Waren oder Dienstleistung vorhanden. Daraus resultierte, dass die Preise anstiegen. Nach dieser Berechnungsmethode ergibt sich für Deutschland, dass die Inflation von 2001 bis Ende 2012 im Durchschnitt bei 6 Prozent und nicht bei den offiziell vermeldeten 1,55 Prozent lag.

Die Analysten der Seite „Shadowstats“ führen auf ihrer Internetseite weiterhin die Inflationsberechnungen nach der Methode von vor 1980 (ohne hedonische Glättung) durch. Interessant dabei ist, dass die Inflationsrate demnach nicht um 2 Prozent herum, sondern die meiste Zeit bei über 7 Prozent lag. Die offizielle Inflationsrate im März 2022 betrug 7,3 Prozent, mit der alten Berechnungsmethode dagegen knapp 13. Das entspricht schon eher der persönlichen Teuerungsrate, die viele glauben wahrzunehmen. Wo sich letztendlich die persönliche Inflationsrate befindet, kann jedoch nur jeder selbst messen. Schließlich konsumiert niemand genau so wie einzelne Verbraucherpreisindizes dies gewichten.

Folgen für Sparer und Investor 

Eine höhere Inflationsrate führt dennoch zu zwei wesentlichen Erkenntnissen:

Für einen Sparer bedeutet es, dass das auf der Bank gehortete Geld – mehr als bereits vom Statistischen Bundesamt angegeben – schleichend enteignet und er so um das erarbeitete Vermögen gebracht wird. Ein einfaches Beispiel macht dieses deutlich: Nehmen wir für die nächsten 15 Jahre zunächst mal eine moderate durchschnittliche Inflationsrate von 3 Prozent an. Wenn ich nun 10.000 Euro für die nächsten 15 Jahre auf dem Konto liegen lasse, dann wäre mein Geld am Ende nur noch knapp 6.300 Euro wert. Ich habe also einen Kaufkraftverlust von fast 3.700 Euro. Noch dramatischer offenbart sich die Lage, wenn wir eine Durchschnittsrate von 7 Prozent annehmen, was nach eigenem Ermessen wohl eher der Durchschnittsinflation der letzten Jahre entspricht. Demnach würden meine 10.000 Euro im Jahr 2037 nur noch einen Wert von knapp 3.400 Euro besitzen. Dies ist ein Wertverlust von mehr als 66 Prozent innerhalb von 15 Jahren.

Auch für Investoren ergeben sich daraus wesentliche Folgen. Wenn ich weiß, dass meine Inflationsrate oberhalb der 5 Prozent liegt, dann suche ich mir keine Geldanlage, die mir vielleicht 3 – 4 Prozent einbringt. Mit der veränderten Inflationsrate verändert sich ebenso mein Fokus und mein Anspruch – und wahrscheinlich ebenso mein Portfolio. Denn schließlich wird eine Riesterrente oder eine Fondsgebundene Lebensversicherung diesen Anspruch nicht erfüllen können. Wer von diesen Dingen weiß, wird sich in die Welt der Erträge begeben müssen, um die Geldentwertung mindestens ausgleichen zu können.

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