„Ich bin fast 18 und hab keine Ahnung von Steuern, Miete und Versicherungen. Aber ich kann ’ne Gedichtsanalyse. In 4 Sprachen.“ Es ist der Tweet einer damaligen Schülerin, der in seiner Kürze die Missstände im deutschen Schulsystem aufdeckt und in der Folge zahlreiche Diskussionen um unser Schulsystem ins Rollen brachte. Zu alt seien die Strukturen und zu wenig würde auf die Bedürfnisse der Zeit eingegangen. Dazu gehört unter anderem der Bedarf nach finanzieller Bildung. Doch wie viel Finanzbildung steckt eigentlich in der Schule?
Bereits seit 2005 spricht sich die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) dafür aus, finanzielle Bildung in den Lehrplan aufzunehmen. Auch die Forderungen innerhalb des Landes werden immer lauter. 80 Prozent der Deutschen sehen die Schulen in der Pflicht zur Wissensvermittlung. Doch die Realität ist eine andere. Nur für 15 Prozent der Deutschen ist finanzielle Bildung fester Bestandteil des Stundenplans, wie eine Studie der ING-DiBa zeigt. Bestätigt werden diese Eindrücke durch eine Studie, die im vergangenen Jahr in der Zeitschrift für ökonomische Bildung veröffentlicht wurde. Dabei werteten die Autoren die Lehrpläne aus zehn Bundesländern hinsichtlich der Finanzwissensvermittlung aus. Im Fazit heißt es: „Dem Erfordernis, finanzielle Schulbildung systematisch zu etablieren, werden die Lehrpläne aller Bundesländer auf Basis der vorliegenden Analysen bislang jedoch nicht gerecht.“ Vor allem die Themen „Finanzielles Umfeld“ sowie „Chance und Risiko“ werden dabei besonders vernachlässigt.
Es lässt sich der Eindruck gewinnen, dass dem Land nicht viel an dieser Art von Wissensvermittlung liegt. Seit 2012 werden durch die PISA-Studie auch Ergebnisse zur finanziellen Bildung von Schüler und Schülerinnen erhoben. Anders als viele andere Länder nimmt Deutschland jedoch an diesem Bereich der Studie nicht teil. Dies sei nämlich mit einer zusätzlichen Belastung von Schülern und Lehrkräften verbunden. In einer offiziellen Stellungnahme hieß es 2015: „Der daraus resultierende zusätzliche finanzielle und organisatorische Aufwand schien für eine nicht im allgemeinen Lehrplan vorhandene und auch im internationalen Vergleich nur gering nachgefragte Option ‚Financial Literacy’ nicht gerechtfertigt“ – eine Aussage, die sinnbildlich für die finanzielle Bildungssituation von jungen Leuten in diesem Land steht.
So ist es auch wenig verwunderlich, dass Deutschland als einziges OECD-Land neben Österreich in den vergangenen Jahren keine nationale Strategie für finanzielle Bildung verabschiedet hat. Die Folge: Mehr als der Hälfte der Bevölkerung wird mangelhaftes oder gar ungenügendes Wissen konstatiert. Im Bezug auf das Thema Finanzen versagt die Schule somit komplett. Selbst ein Abitur von 1,0 gibt keinerlei Hinweis auf die finanzielle Intelligenz. Vielmehr wurde inzwischen sogar empirisch bewiesen:
Es gibt keinerlei Zusammenhang zwischen den Leistungen in der Schule oder der Universität und der Höhe des Vermögens, zu dem diese Personen später gelangen. Akademische Exzellenz ist schließlich noch lange kein Beweis für finanzielle Intelligenz.