Nachhaltigkeit wird für die Menschen zunehmend wichtiger. Dies spiegelt sich nicht nur in ihrem Kaufverhalten wider, sondern auch in ihren Geldanlagen. Sie sind auf der Suche nach Investitionsgelegenheiten, die ihre Rendite durch die Finanzierung von nachhaltigen Unternehmen erzielen. An der Börse vertrauen viele Geldanleger da oft auf vermeintliche Kriterien. Dazu gehört zum Beispiel das Siegel „ESG“. Es steht für „Environmental, Social, Governance“ und setzt sich das Ziel, Produkte auszuzeichnen, die besonders hohe unternehmerische Sozialverantwortung zeigen. In den letzten Jahren ist die Nachfrage nach ESG-Fonds rasant gestiegen. So sollen ESG-Fonds laut Prognosen des PwC bis 2025 zwischen 41 und 57 Prozent des Fondsvermögens in Europa ausmachen. Doch wie nachhaltig sind „nachhaltige Geldanlagen“ wirklich?
Der grüne Anstrich
Wer sich diese Produkte mal genauer anschaut, wird feststellen, dass sie zwar einen umweltfreundlichen Namen tragen, mit Nachhaltigkeit jedoch oft wenig zu tun haben. Für Anlagemanager dienen sie oftmals nur der Verbesserung des Images und sind daher ein Fall von Greenwashing. So sollen laut einer Studie des Londoner Analysehauses InfluenceMap unter den 593 als ESG-Fonds aufgelegten Produkten mehr als 70 Prozent das Prädikat „ungenügend“ erhalten haben.
Doch nicht nur das ESG-Siegel wird häufig für marketingzwecke missbraucht. Auch Fonds mit dem FNG-Siegel (Qualitätsstandard für nachhaltige Investmentfonds im deutschsprachigen Raum) sind nach Aussagen des Verbraucher-Portals „Faire Fonds“ nur in weniger als 25% der untersuchten Fälle ökologisch nicht belastet. Zu einem vergleichbaren Ergebnis kommt eine Studie, die im Auftrag von Bündnis 90/Die Grünen durchgeführt wurde und 10 vermeintlich nachhaltige Fonds untersuchte. Demnach weisen deren Portfolios oft zahlreiche Unternehmen aus kritischen Sektoren auf. So investierten beispielsweise mehr als 10 Prozent der dort zu findenden Unternehmen auf die eine oder andere Art in Kernenergie. Gleiches gilt für den Bereich Öl & Gas, in dem sogar mehr als jedes vierte Unternehmen tätig war. Selbst mit dem Bereich Rüstung beschäftigten sich 9 der 10 Fonds aktiv.
Dies musste auch der ZEIT-Journalist Wolfgang Uchatius feststellen, als er der Vermögensallokation seiner privaten Riesterrente nachging. Er fand heraus, dass damit unter anderem Unternehmen finanziert werden, die Streubomben für den Krieg produzieren. Je größer das Volumen einer Geldanlage ist, desto unmoralischer scheint sie dabei zu sein. So ist der Anteil der kontroversen Unternehmen bei den weltweit größten ESG-Fonds sogar noch größer als bei „normalen“ US-Fonds. Knapp 12 Prozent der Unternehmen seien demnach als kontrovers einzustufen, da sie beispielsweise wegen Umweltzerstörung oder Menschenrechtsverletzung in der Kritik stehen. Doch wie ist es überhaupt möglich, Fonds einen grünen Anstrich zu geben, sodass sie als nachhaltig gelten?
Die Tricks der Anbieter
Der Grund ist eine perfide Kriterienschieberei. Viele Nachhaltigkeits-Ratings arbeiten mit Umsatzschwellen. Kritische Geschäftsfelder stellen keine Hürde dar, solange sie maximal einen bestimmten Anteil vom Umsatz der einzelnen Unternehmen darstellen. Oft liegt diese Schwelle bei 5 Prozent. In der Praxis bedeutet dies für ein Unternehmen, das 5 Prozent des Umsatzes im Bereich Kernenergie, 5 Prozent mit Rüstungsgütern und 5 Prozent Erdölhandel erzielt, für nachhaltige Fonds dennoch interessant sein kann, wenn es auch positiv besetzte Geschäftsfelder abdeckt. Anders als bei der Umsatzbeschränkung von kritischen Sektoren gibt es hier nämlich keinen Mindestumsatz. Wenn das Unternehmen also noch einen Bruchteil des Umsatzes beispielsweise durch erneuerbare Energien generiert, gilt es als nachhaltig.
Wer sich also etwas genauer mit dieser Thematik auseinandersetzt, wird schnell feststellen: Anlegern ist es nicht möglich, der Ausgestaltung „nachhaltiger“ Finanzanlagen vertrauen zu können. Im Fazit der Studie des Bündnis 90/Die Grünen heißt es: „Der Mehrwert für den Investor, dem ethische, soziale und ökologische Kriterien wichtig sind, ist daher gering. Wer nicht genau hinschaut, muss damit rechnen, mit einer Investition in einen Nachhaltigkeitsfonds sein Geld mit Panzern, Maschinenpistolen, Uranminen und Tiefseebohrungen zu verdienen – auch, wenn er das eigentlich nicht will.“
Wer für sich dagegen den Anspruch erhebt, wirklich nachhaltig und wertschöpfend zu investieren, der sollte sich nicht länger dem Greenwashing der Fondsanbieter und dem Geschwafel der Verkäufer hingeben, sondern sich stattdessen selbst ein Bild von der Ethik und Nachhaltigkeit einer Geldanlage machen.